Freitag, 30. September 2016

Achter Tag Tel Aviv - und wieder Jerusalem

Am Morgen besuchen wir als letzte Station der Fortbildung die Altstadt von Tel Aviv - Jaffo.
Die engen Gassen der mittelalterlichen Altstadt beherbergen Ateliers von jüdischen Künstlern verschiedener Herkunft: russische, französische und jemenitische Ateliers sind hier beheimatet. 
Der "Hängende Orangenbaum" des Künstlers Ran Morin, mit dem er der "Jaffa-Orange", bis heute das weltweit bekannteste Produkt Israels, das im letzten Jahrhundert von hier aus in alle Welt exportiert wurde, fasziniert mich, weil es Israel als neue Heimat für entwurzelte Existenzen darstellt, die hier eine neue, leichtere Existenz aufbauen können sollten.
Die Stadt selbst wurde erst 1909 gegründet. Die Stadtgründung galt vielen als utopisch: im April 1909 fanden sich 66 jüdische Familien auf einer Sanddüne zusammen und warfen 120 Muscheln als Lose, um das Land aufzuteilen. Diese Zusammenkunft wird als offizielles Gründungsdatum Tel Avivs betrachtet. Der Bau der Stadt sollte im Sinne des ersten Bürgermeisters Meir Dizengoff ein Symbol für das mögliche friedliche Zusammenleben von Juden und Arabern sein. Daher auch der Name: Hügel des Frühlings - Tel Aviv. Auf einem Foto von 1915-16 entdecke ich später den Straßenzug wieder. Der Ausbau von Tel Aviv ist ein Musterbeispiel für Urbanisierung und Städtebau vor und nach der Gründung Israels. Es ist nach den Einwanderungswellen des letzten Jahrhunderts kaum verwunderlich, dass der Großraum Tel Aviv heute über 2 Millionen Einwohner zählt. Übrigens wandern derzeit insbesondere französische Juden ein - gerade infolge der Zunahme an Anfeindungen nach den Anschlägen der letzten beiden Jahre.
Wir kommen zum Gebäude, die in dem am 14. Mai 1948 der Staat Israel ausgerufen wurde - auf den Einladungskarten wurde aus vielerlei Gründen um Geheimhaltung gebeten. Dennoch kamen Menschenmassen zur Proklamationszeremonie. Beim Rundgang durch den alten Hafen fällt mein Blick auf eine Leinwand mit Livebildern von der Trauerfeier für Simon Peres. In der internationalen Presse der Woche wird ihm als des letzten politisch einflussreichen Visionärs der israelisch-palästinensischen Ausgleichs gedacht. Vielleicht vereint die Trauerfeier aus diesem Grund zum ersten Mal so viele Staatschefs in Israel wie seit dem Tod Jitzchak Rabins.
Heute Morgen habe ich nun auch eine Unterkunft für die nächsten Tage in Jerusalem gefunden und unser Guide nimmt mich mit...
Der Weg führt uns vorbei an Mauern und Zäunen, die die Autobahn vor Steinwürfen schützen sollen. Die direkte Strecke ist gesperrt, da die Trauerfeier das öffentliche Leben beeinträchtigt: für die angereisten Staatschefs wird auch der Flughafen gesperrt - und damit das öffentliche Leben zum Teil zum Erliegen gebracht.
Am Abend habe ich die Möglichkeit, von der Dachterrasse des französischen Hospiz die ganze Altstadt zu überblicken. Welch eine wunderbare und widersprüchliche Stadt! Diesen Tipp haben mir zwei ältere Reisende gegeben, die ich in meiner Unterkunft kennengelernt habe. Sie reisen für etwa zwei Monate durch das östliche Mittelmeer und wollen bald weiter ans Rote Meer. 
Blick auf Tel Aviv von Jaffo aus
Haus in Jaffo
Ein judischer Künstler russischer Herkunft vor seinem Atelier in Jaffo
Aus Dünen wird eine Metropole - Uriel Kashi stellt die Gründung Tel Avivs am historischen Ort vor
Szene in Jaffo
Zwischen Tel Aviv und Jerusalem - zwischen Urlaub mit dem Fahrrad und Sperrmauern...
Jerusalem am Abend
Titelseite der Tageszeitung Ha'aretz vom 29. September 2016

Donnerstag, 29. September 2016

Siebter Tag Akko und Tel Aviv

Am frühen Morgen fahren wir nach Akko. Die Fahrt dauert 3 Stunden und von Jerusalem bei 20 Grad geht es bis auf 32 Grad bei Akko. Im "Ghetto Fighters House" werden wir empfangen und lernen einen Kibbuz kennen, aus dem sich ein florierendes landwirtschaftliches Unternehmen entwickelt hat und dessen Gründer schon Ende der 50er Jahre ein Museum eingerichtet haben zur Erinnerung an den Grund ihrer Übersiedlung nach Israel. Der Kibbuz ist auf den Ruinen eines ehemaligen arabischen Dorfes errichtet worden, das kurz vor der Gründung zerstört worden war.
Der Besuch bringt mich auf neue Ideen, denn die Schulen in Ma'alot-Tarshiha, die ich im März gesehen habe, sind nur 30 km entfernt. Warum nicht gemeinsam ein Projekt in diesem Museum machen? Wir kommen erst nach Einbruch der Dunkelheit in Tel-Aviv an. Der Stadtteil des Hotels macht auf mich einen wenig einladenden Eindruck. Ich muss bis zum nächsten Morgen warten, um den Ausblick aus meinem Hotelzimmer zu genießen!
Das Abendessen mit einigen Mitreisenden in einem israelischen Lokal mit Falafel ist wunderbar und wir genießen den mediterranen Abend. Die Stadt ist voller Menschen, sie ist voller Leben, selbst am späten Abend sind viele Menschen am Strand und an der Uferpromenade.
Die ersten Siedler des Kibbuz Lohamei HaGetaot lebten in Zelten - und auf den Überresten eines zersörten arabischen Dorfes
Das Museum "Ghetto Fighters House" auf dem Gelände des Kibbuz Lohamei HaGetaot heute
Am Strand von Tel Aviv
Straßenszene hinter dem Strandboulevard
Tel Aviv ist eine Boomtown - Blick aus dem Hotelzimmer

Mittwoch, 28. September 2016

Sechster Tag Yad Vashem

Der vierte Tag in Yad Vashem steht bevor. Besonders der Ort Yad Vashem bleibt mir im Kopf: im sogenannten Tal der Gemeinden sind alle ehemaligen jüdischen Gemeinden in Europa in Stein gemeißelt, die als Felslandschaft gestaltet sind.
Für jeden  "Gerechten unter den Völkern", also für diejenigen, die Juden geholfen haben oder sie versteckt haben, ist ein Olivenbaum auf dem Areal gepflanzt worden. Als "Gerechter unter den Völkern" gelten Menschen, die unter Lebensgefahr jüdischen Mitmenschen vor der Deportation geholfen haben, obwohl sie selbst keine Juden waren. Es gibt nur sehr wenige Deutsche unter den Gerechten unter den Völkern, was angesichts unserer Geschichte nicht verwunderlich ist und die Tat des Einzelnen erst recht ehrt!
Am Nachmittag nimmt Tswi Herschel an der Fortbildung teil und erzählt uns von seinen Erfahrungen als verstecktes Kind, das bei Pflegeeltern aufwächst. Die psychischen Leiden dieser Opfergruppe sind immer noch kaum im Fokus des Gedenkens. Gerade dies ist aber dringend geboten.
Am Abend gehe ich zum Mahane-Yehuda-Wochenmarkt, der mich an einen arabischen Markt erinnert. Menschen aller Hautfarben machen hier Ihren Wocheneinkauf, besonders vor dem Shabbat. Von da aus gehe ich wieder in Richtung Altstadt. Die Gegensätze springen ins Auge: hier der orientalische Markt, da die europäisch wirkende Fußgängerzone, und schließlich die jahrtausendealte Altstadt.
Das "Tal der Gemeinden"
Felswand mit Namen der Orte jüdischen Lebens in Deutschland
Pfad mit Olivenbäumen zu Ehren der "Gerechten unter den Völkern" - hier links eine Gedenkplakette für eine der wenigen Deutschen, die als solche anerkannt wurden
Tswi Herschel, der als Kleinkind vor den Nazis versteckt wurde und als Erwachsener um Anerkennung als Holocaustopfer kämpft

Auf dem Markt in Mahane-Yehuda

Dienstag, 27. September 2016

Fünfter Tag Yad Vashem

Die Begegnung mit dem jüdischen Schriftsteller Michel Kichka ist das Erlebnis des Tages. Er ist ein grundehrlicher, sympathischer Mensch. Er begeistert mich, weil er authentisch von seiner Familie erzählt. Dies tut er in Form eines Comics. "Die zweite Generation" handelt von seiner Familiengeschichte. Er ist Kind belgischer Eltern, der Vater überlebt den Holocaust, erzählt aber nichts davon in der Familie. Erst als sein jüngerer Sohn stirbt, beginnt der Vater zu erzählen. Der Autor setzt sich mit dieser Familiengeschichte auseinander, auf humorvolle und bildhafte Weise.
Diese Autorenlesung ist einmalig und eindrücklich, spiegelt sie doch den Willen eines Zeitzeugen wieder, mit Lebensmut das Leiden der Familie zu verarbeiten.
Am Abend gehe ich wieder in die Altstadt. In der Grabeskirche begegne ich Mönchen, die am Eingang zu ihrer Kirche auf Gläubige warten und währenddessen Nachrichten über ihr Smartphone schreiben. Die Kapelle über dem Grab Jesu wird derzeit restauriert. Weil die Konfessionen sich nicht auf die Restaurierung einigen konnten, musste die Jerusalemer Stadtverwaltung mit der Schließung der Grabkapelle drohen. Nun endlich kann die Grabkapelle seit dem Frühjahr saniert werden.
Über der Grabeskirche erlebe ich den Sonnenuntergang. Jüdische und muslimische Kinder spielen auf den Dächern von Jerusalem. Das Leben im jüdischen Viertel kommt zur Ruhe, auf den Plätzen herrscht aber reges Treiben...
Darf die Erfahrung mit dem Holocaust als Comic dargestellt werden? Michel Kichka tut dies und erzählt seine Familiengeschichte auf erstaunlich lebensbejahende Weise


Ein koptischer Mönch betreut die Kapelle seiner Konfession in der Grabeskirche...
Bauarbeiten an der einsturzgefährdeten Kapelle über dem Heiligen Grab in der Grabeskirche
Kinder auf den Dächern der Altstadt
Szene vor der Al-Aqsa-Moschee - Fotomotiv für jüdische Schülerinnen
Sonnenuntergang in der Altstadt: Al-Aqsa-Moschee, im Hintergrund der Kirchturm der russisch-orthodoxen Himmelfahrtskapelle auf dem Ölberg

Montag, 26. September 2016

Vierter Tag Yad Vashem

Am Vormittag besuchen wir das Museum der Erinnerungsstätte Yad Vashem.
Die Bilder und Medien zur Geschichte des Holocaust sind für mich dann ergreifend, wenn Sie zum Beispiel das Leben im Ghetto zum Thema haben. Da ist eine junge Frau, Yehudit Aufrichtig, die in ihren Aufzeichnungen darüber berichtet, dass sie gemeinsam mit Freundinnen versucht, über den Hunger hinweg zu helfen, indem sie sich ihre Lieblingsrezepte in allen Einzelheiten schildern. Als diese junge Frau einmal krank wird und die Freundinnen ihr ihre Essensration, ein Stück Brot, bringen, so legen sie ein Blatt Papier mit ihrem heutigen Menüvorschlag dazu. Im letzten Satz schreiben sie, dass sie sich so satt gegessen hätten, dass nur noch dieses eine Stück Brot übrig geblieben sei.
Mit dieser Art Humor versuchen sich Menschen über Wasser zu halten, zu überleben und sich ihre Würde zu erhalten.
Nach der Rückkehr gehe ich durch einige Stadtviertel in Richtung Altstadt. Ich begegne vielen Schulklassen und vielen Soldaten. Ein arabisches Hochzeitspaar lässt in einem jüdischen Wohnviertel Hochzeitsfotos machen. Das Hochzeitsauto steht inmitten der Gruppe von Soldaten. Welch ein Kontrast! 
Am Zionsberg wieder eine Klasse. Der Klassenlehrer, ein etwa 60 jähriger Mann mit langem weißen Bart und Megafon führt die Gruppe an, die auf dem Weg zur Klagemauer ist. Der Ausflug mit der Klasse, wohl einer Grundschulklasse, ist ein Höhepunkt des Schuljahres. Fotos werden gemacht.
Zwei arabische Jugendliche zeigen mir den Weg. Der Jüngere, etwa 10 Jahre alt, will wie selbstverständlich Geld für den Tipp haben. Als ich ihm etwas geben möchte, nimmt er sich selbst 10 Schekel aus meiner Hand, der größere, wohl sein Bruder, begründet dies damit, dass er sich mal etwas zu trinken kaufen müsse, und die beiden machen sich auf Inlinern davon.
Am Abend dann eine Diskussionsrunde mit dem Journalisten Uri Schneider. Er lässt uns an seinen durchaus kritischen Blick auf die israelische Gesellschaft teilhaben. Seine These ist, die Erinnerungspolitik Israels sei aus den Fugen geraten. Die Diskussion endet mit einem Blick auf die Tagespolitik, schließlich hat der israelische Ministerpräsident Netanyahu gerade gestern in New York beide Präsidentschaftskandidaten der USA getroffen...
Delegation niedersächsischer Lehrkräfte und Politiker mit Kultusministerin Frauke Heiligenstadt vor dem Eingang zum Holocaust-Museum in Yad Vashem
Tuch von Yehudit Aufrichtig mit gestickten Worten, in der Mitte ist der Name des KZ Ravensbrück zu lesen, in der Yehudit Aufrichtig interniert war. Der Stoffrest stammt von einer Fahne der NSDAP.
http://www.yadvashem.org/yv/de/exhibitions/traveling_exhibitions/spots_of_light/panel_2.asp
Abendliche Szene am Bloomfield Park (zur Erinnerung an die erste jüdische Siedlung außerhalb der Altstadt, gegründet Mitte des 19. Jahrhunderts)
Kinder und Erwachsene auf dem Zionsberg
Ministerpräsident Netanjahu zu Gast bei Donald Trump und Hillary Clinton, Ausschnitt einer Tageszeitung vom 26. September 2016

Sonntag, 25. September 2016

Dritter Tag Yad Vashem

Heute steht der erste Tag der eigentlichen Fortbildung in der Gedenkstätte des Holocaust, in Yad Vashem, auf dem Programm.
Yad Vashem liegt auf einem Berg etwas außerhalb der Altstadt und außerhalb der Innenstadt. Die Fortbildung wird vier Tage dauern. Wir bekommen eine Einführung in die Arbeit der Gedenkstätte und es wird deutlich, dass hier das Leben der jüdischen Menschen vor dem Holocaust eine große Rolle spielt. Beeindruckt hat mich, dass wir, die 20 Teilnehmer der Fortbildung, vor allem Mitarbeiter von Gedenkstätten in Niedersachsen und Lehrer, in einem Rollenspiel Identitäten von jüdischen Einwohnern eines polnischen Dorfes annehmen. Das Spiel mit diesen Rollen ist vollkommen ungezwungen und dem englischsprachige Seminarleiter gelingt es, einen ungezwungenen Zugang zu diesem unmenschlichen Kapitel der Geschichte zu finden.
Bei einem Rundgang über das weitläufige Gelände kommen wir unter anderem an einem Denkmal für die deportierten Juden vorbei: Gleise führen ins Nirgendwo, ein Waggon steht vor dem Abgrund. Plastischer kann man den Holocaust kaum darstellen.
Yad Vashem ist verbunden mit dem Herzl- Museum. Herzl gilt als Vater des Zionismus, der Bewegung, die die Gründung eines israelischen Staates in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich fördert. Zum Abschluss des Rundganges besuchen wir das Grab Herzls.
Noch mehr beeindruckt mich das Grab von Jitzchak Rabin, das im gleichen Park liegt. Rabin war einer der wichtigsten Förderer des friedlichen Zusammenlebens zwischen Juden und Palästinensern, bevor er von einem radikalen Gegner des Friedensprozesses im Jahr 1996 bei einer Demonstration für den Frieden ermordet wurde.
Wir treffen auf viele israelische Soldaten, junge Rekruten, Männer und Frauen, vielleicht 18 bis 20 Jahre alt. Der Besuch von Yad Vashem gehört für sie zur Ausbildung dazu. Es ist sehr befremdlich, sie hier in Uniform und mit Maschinenpistole zu sehen. Sie gehören zum öffentlichen Leben Israels dazu. 
Nach der Rückkehr mache ich einen Spaziergang zur Jaffa Street, das ist eine Fußgängerzone, die vollkommen europäisch aussieht. Junge israelische Familien, orthodoxe Juden, Touristen aus aller Welt und die allgegenwärtigen Polizisten und Soldaten säumen die Straßen am Vorabend. Jetzt noch schnell einen koscheren Hamburger essen? 
Auf dem Weg nach Yad Vashem...
Yad Vashem: Deportationswaggon - Denkmal für die Deportierten
http://www.yadvashem.org/yv/de/remembrance/deportees_memorial.asp 

Straßenszene im Stadtzentrum von Jerusalem
"McDonalds"-Filiale im Zentrum von Jerusalem

Samstag, 24. September 2016

Zweiter Tag Masada & Totes Meer

Wir fahren mit dem Bus vorbei am Jaffator und am Damaskustor hinaus aus Jerusalem in Richtung Osten. Kurz nachdem wir die Stadtgrenze passiert haben, kommen wir an einem Checkpoint vorbei, den wir problemlos passieren können. Kontrolliert werden immer Einwohner der Palästinensergebiete, wenn diese überhaupt nach Jerusalem kommen, denn die meisten dürfen Jerusalem nicht oder nur selten betreten. Obwohl die Westbank, das Westjordanland, unter palästinensischer Verwaltung steht, ist die Autobahn unter israelischer Verwaltung. Das bedeutet, dass Einwohner des Westjordanlandes nicht zu jeder Zeit und auch nicht jede Straße passieren dürfen. Die israelische Polizei und auch das israelische Militär kann kontrollieren, wer die Autobahn benutzt, da die palästinensischen Autos ein grün-weißes Nummernschild haben, während die israelischen Fahrzeuge ein gelb-weißes Nummernschild haben.
Wir fahren von 800 Höhenmetern hinunter auf unter 400 Meter unter dem Meeresspiegel. Während in Jerusalem etwa 25 Grad herrschen, sind am Toten Meer etwa 35 Grad. Schon kurz nach Jerusalem beginnt die Steinwüste. Lange fahren wir am Toten Meer vorbei. 
Jedes Jahr fällt der Spiegel des Toten Meeres um etwa einen Meter, was vor allem daran liegt, dass das Wasser des Flusses Jordan nur noch zu einem geringen Teil von Norden her in das Tote Meer fließt. Es wird zur Versorgung der Bevölkerung und zur Bewässerung der Landwirtschaft benötigt.
Dann kommen wir in Masada an: eine Hochebene über 400m über dem Toten Meer.
Masada ist zum Symbol für den Untergang jüdischer Identität geworden. Die Römer haben im Jahr 74 nach Christus diese Festung der verbliebenen Juden eingenommen, die nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem hierher geflohen waren. König Herodes der Große hatte diese Hochebene zu einem Palast oder einer Festung ausbauen lassen. Masada galt als uneinnehmbar. Die Römer nahmen die Festung trotzdem ein: sie bauten eine riesige Rampe und und nahmen die Festung von der dem Toten Meer abgewandten Seite ein.
Es ist unglaublich heiß hier oben, wir fahren zwar mit der Seilbahn nach oben, aber die Sonne scheint trotzdem erbarmungslos, während wir die Festung besichtigen.
Nach einer Mittagspause fahren wir ans Tote Meer, an einem Badestrand. Es ist tatsächlich umwerfend. Es ist nicht möglich, im Toten Meer unterzugehen. Ich habe das Gefühl Schwimmreifen zu tragen, während ich versuche zu schwimmen. Hier gibt es sogar eine Strandbar, und ein Teilnehmer unserer Gruppe gibt eine Runde Wein aus, weil er heute 60 Jahre alt wird.
Überreste der römischen "Rampe", die zur Einnahme Masadas im Jahr 74 n. Chr. errichtet wurde
Blick von Westen auf das Tote Meer
Blick von Masada auf das Tote Meer
Am Strand des Toten Meeres

Freitag, 23. September 2016

Erster Tag Jerusalem

Frühstück um 8 Uhr nach einer sehr kurzen Nacht. Wir waren erst um 2:30 Uhr im Hotel, weil einer unserer Mitreisenden sein Koffer nicht finden konnte bei der Gepäckabholung. 20 bis 30 Gepäckstücke waren irgendwo gelandet, aber nicht dort, wo sie sein sollten.
Am Vormittag machen wir einen Stadtrundgang vor allem im jüdischen Teil Jerusalem, wir kommen an die Klagemauer und wir sind am Fuße des Tempelbergs und sehen uns archäologische Ausgrabungen an. Diese seit Jahrtausenden umstrittene Stadt ist heute genauso umstritten und jede Ausgrabung ist immer auch ein Politikum in der Stadt. 

Die Klagemauer ist der verbliebene Rest des zweiten Tempels, der im Jahr 70 n. Chr. durch römische Truppen zerstört wurde. Der anschließend auf dem Tempelberg errichtete Jupitertempel wurde im 7. Jh. durch Muslime zerstört und an seiner Stelle der Vorläufer des heutigen Felsendoms und im 8. Jh. die Al-Aqsa-Moschee errichtet. Am Freitag ist ebenso der hölzerne Aufgang zum Tempelberg gesperrt - um Konflikte zwischen Juden und Muslimen nicht anzuheizen. Schließlich hat dies vor einigen Jahren zum Ausbruch der zweiten Intifada geführt, als der Ministerpräsident Ariel Scharon genau dies tat. 
Die Ernsthaftigkeit, mit der Juden an der Klagemauer beten, fasziniert mich. An die Klagemauer kann man nur gehen, wenn man sich eine kleine, weiße oder schwarze Kopfbedeckung, eine Kippa, aufsetzt. Strenggläubige Juden tragen unterschiedliche Arten von Kopfbedeckungen: einen schwarzen Hut, unterschiedlich große Pelzhüte oder eine Kippa. Die Kopfbedeckung beschreibt die Zugehörigkeit zu einer der Ausprägungen als orthodoxe Juden, als Charedim oder Chassidim, und ist damit auch ein Gradmesser der Intensität der religiösen Alltagspraxis. Nicht zu vergessen sind Schläfenlocken bei Männern - und in einigen Familien auch bei Jungs.
Nach der Besichtigung einiger weiterer Ausgrabungen, vor allen Dingen aus dem römischen Teil Jerusalems, so des Cardo maximus, einer römischen Einkaufsstraße, deren Reste 6m unter dem Niveau des heutigen Jerusalem liegen, gehen wir in die Grabeskirche.
Es unglaublich wie viele Menschen in eine so kleine Kirche gehen können, die von Katholiken, orthodoxen, armenischen und koptischen Christen gleichermaßen verwaltet wird. Hier soll Jesus gekreuzigt und begraben worden sein.
So ernsthaft, wie die russisch-orthodoxen Christen es meinen, indem sie zum Beispiel kleine Tücher auf den Salbungsstein oder den Felsen, an dem Jesus gekreuzigt worden sein soll, halten, und daraus Kraft schöpfen, kann ich die Grabeskirche nicht nehmen. Dafür ist viel zu viel los.Unmittelbar hinter dem Platz vor der Kirche sind vielerlei Souvenirläden zu finden. Araber verkaufen christliche wie jüdische religiöse Symbole, orthodoxe Ikonen und alle Arten von billigem Schmuck. Im an die Grabeskirche angrenzenden christlichen Viertel, dem "Muristan", essen wir Falafel.
Am Nachmittag suche ich den Weg zur Via Dolorosa, dem Leidensweg Jesu, auf, der eine Reihe von Stationen aufweist. Zunächst aber verlaufe ich mich. Ich laufe im muslimischen Basar umher und knapp vor Beginn des jüdischen Shabbat finde ich mich am Eingang zur Klagemauer wieder.
Nach einiger Suche finde ich schließlich eine Straßenkreuzung, an der die Via Dolorosa entlangläuft. Viele Menschen begegnen mir.
Juden sind auf dem Weg nach Hause oder zu Synagoge. Arabische Händler sitzen gelangweilt vor ihren Geschäften, denn diese laufen schlecht am Freitagnachmittag. Dies gilt für Souvenirläden genauso wie für Lebensmittelgeschäfte oder Bäckereien. Muslimische Frauen verkaufen Obst und Gemüse auf dem Boden der Straßen des Souk. An einer Straßenecke der Via Dolorosa ist ein provisorischer Checkpoint aufgebaut, israelische Polizisten trennen Araber und Juden voneinander. Hier ist auch der Eingang zum österreichischen Hospiz. Auf dem Dach sind schon drei arabische Jugendliche,  die im Abstand von zehn Sekunden über eine halbe Stunde lang Fotos von der Kuppel der Al-Aqsa-Moschee machen. Ich mache es Ihnen nach, aber mir reichen zwei Fotos. Dieses Gebäude ist eine Oase inmitten der hektischen Freitagnachmittagaktivitäten. Am Abend dann kommen uns nur noch jüdische Familien entgegen, die fröhlich die Straße entlang laufen Entweder kommen sie von der Synagoge oder sie gehen in die Synagoge. Beim Abendessen im Hotel stimmen einige jüdische Familien Lieder an und es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Übrigens:
Der Aufzug fährt am Shabbat von alleine. Vom Erdgeschoss geht es in den siebten Stock, von da aus Stockwerk für Stockwerk zurück ins Erdgeschoss. Nach dem jüdischen Gesetz wird am Sabbat nicht gearbeitet. Dazu gehört auch das Bedienen des Aufzugs.
Freitag Mittag an der Klagemauer
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Blick von dem römischen Cardo maximus auf die Altstadt

Via Dolorosa: Stationen des Kreuzweges sind mit schwarzen Tafeln an den Häuserwänden gekennzeichnet; im Hintergrund israelische Soldaten vor dem Eingang zum österreichischen Hospiz
Guide Uriel Kashi stellt die Konflikte zwischen den christlichen Kirchen um die Zuständigkeit über die Grabeskirche vor. Sichtbares Beispiel ist die seit 1842 unverändert am mittleren Fenster stehende Holzleiter, über die seinerzeit Mönche bei verschlossenem Tor in die Kirche gelangen konnten. Seit nunmehr über 170 Jahre können sich die christlichen Kirchen nicht darüber einigen, was mit der Leiter passieren soll.
Betende Pilger am Salbungsstein in der Kirche
Blick von der Dachterrasse des österreichischen Hospizes auf die Al-Aqsa-Moschee

Mittwoch, 21. September 2016

Es ist soweit...

Die Reise kann beginnen...

Morgen breche ich auf, um mit einer Gruppe eine Fortbildung in Israel, in der Gedenkstätte Yad Vashem, zu machen. Ich möchte das Land von der jüdischen Seite kennenlernen und werde es viel umfassender erleben. Es erwartet mich ein Land voller faszinierender Seiten, ein Land mit vielen Widersprüchen und voll farbenfrohen Lebens.