Montag, 3. Oktober 2016

Elfter Tag Jerusalem

Bei Sonnenaufgang mache ich mich auf den Weg zur Grabeskirche. Nur wenige Menschen sind in den engen und noch fast dunklen Gassen des muslimischen Viertels unterwegs. Ich folge in einigem Abstand einer Nonne. Und tatsächlich: sie geht zur Grabeskirche. Zum ersten Mal erlebe ich diese Kirche ohne Rummel, vielmehr kann ich an einem Gottesdienst einer amerikanischen Pilgergruppe teilnehmen teilnehmen, der in der Kapelle neben dem Golgotafelsen, dem vermuteten Ort der Kreuzigung, stattfindet.
Nach Ende des Gottesdienstes bleibe ich einige Zeit in der Kirche und kann den Ort anders erleben als bei dem vorigen Besuch. Dann erfüllt Orgelmusik die ansonsten vollkommene Stille und neben der eingerüsteten Grabeskapelle beginnt eine Messe des Franziskanerordens...
Die Sonne scheint bereits wieder warm, als ich die Kirche verlasse und in das beginnende Leben der Altstadt hinaustrete.
Nach dem Frühstück habe ich ein weiteres Ziel vor Augen: der von strenggläubigen Juden bewohnte Stadtteil Me'a-Sche'arim. Der Stadtteil liegt zwar mitten in Westjerusalem und doch versteckt. An den Zufahrtsstraßen hängen große Hinweistafeln mit der Aufforderung, sich angemessen zu kleiden und das Viertel am Shabbat zu durchqueren.
Hier ist es ebenso unpassend, am Shabbat und an Feiertagen Fotos zu machen, weil dies dem göttlichen Gebot, sich ein Bildnis zu machen, widerspräche. Und so versuche ich möglichst unbemerkt einige Motive einzufangen. Die Menschen sprechen hier noch vielfach jiddisch, die Alltagssprache ashkenasicher Juden aus Osteuropa. Die strenge Auslegung der Thora-Gesetze verbietet es, am Shabbat elektrische Geräte zu bedienen und Auto zu fahren. Wer sich nicht daran hält, muss damit rechnen, mit Steinen beworfen zu werden. Der Stadtteil gilt als Ort der Opposition gegen den weltlichen Staat Israel überhaupt und so ist es nicht verwunderlich, dass Plakate mit dem Aufruf gegen die Einberufung von strenggläubigen Juden in die israelische Armee an Hauswänden zu finden sind. Die Menschen sind auf den Straßen, das ganze Viertel ist auf den Beinen, vor einer Synagoge sind hunderte in schwarze Anzüge und weiße Hemden gekleidete Männer zu sehen.
Auf den Rückweg kann ich im Innenhof der äthiopischen Kirche, die nur einen Steinwurf (!) entfernt ist, im Kontrast zum gerade erlebten Stadtteil die Ruhe dieses Kirchenbezirks mitnehmen. Ich komme am Haus des Schöpfers der heutigen hebräischen Alltagssprache, Ben Yehuda, vorbei. Anfang des letzten Jahrhunderts galt Hebräisch noch als Sprache von wenigen Gelehrten und erst durch die zionistische Bewegung kam der Wunsch auf, für alle jüdischen Einwanderer eine eigene Sprache wieder zum Leben zu erwecken.
An jüdischen Feiertagen ist vieles anders als sonst. Das öffentliche Leben steht weitgehend still. So kann ich nicht mit einem Bus zum Flughafen fahren, sondern muss ein arabisches Taxi nehmen. Der Fahrer erklärt mir während der einstündigen Fahrt Gott und die Welt. Er ist Katholik, raucht zwei Schachteln Zigaretten am Tag und seine Familie ist seit Generationen in Jerusalem beheimatet. Während er redet, fährt er mit hoher Geschwindigkeit aus den Bergen in die Ebene, gestikuliert mit beiden Händen und öffnet immer wieder beim Rauchen das Fenster. Dies tut er wohl aus Rücksicht auf mich, allerdings weht uns währenddessen heiße Luft ins Gesicht. Am Flughafen rechnet er die Summe zwei Mal in Schekel um, damit er sicher ist, dass ich ihm auch die korrekte Summe in Euro gegeben habe.
Dann verabschiede ich mich, atme noch einmal den heißen Wüstenwind ein und trete in die kalte Atmosphäre des Flughafengebäudes ein.
Frühmorgens auf dem Weg durch das arabische Viertel der Altstadt zur Grabeskirche
In der römisch-katholischen Grablegungskapelle der Grabeskirche
Morgens um 8 Uhr im arabischen Viertel der Altstadt
Eine Zugangsstraße zum Stadtviertel Me'a Sche'arim
Spielende Kinder in Me'a Sche'arim
"We are Jews, not Zionists. We will not enlist in the zionist army that rebels against G-D and his Torah" - Aufruf zur Verweigerung des Eintritts in die israelische Armee aus religiöser Überzeugung - im Viertel Me'a Sche'arim
Im Innenhof der äthiopischen Kirche - vor Eintritt in die Kirche sind die Schuhe auszuziehen...
Straßenszene vor meiner Unterkunft, dem "Paulus-Haus" am Damaskustor
Blick von der Dachterrasse des Hauses auf die Altstadt
Dieser arabische Taxifahrer arbeitet sieben Tage in der Woche, 12 Stunden am Tag - laut eigener Aussage
Ankunft am Flughafen Frankfurt

Sonntag, 2. Oktober 2016

Zehnter Tag Jerusalem

Nach der Hektik des letzten Tages in Bethlehem suche ich am heutigen Tage den ruhigeren Teil der Stadt in Westjerusalem auf. Ich wache früh auf und fahre mit Straßenbahn und Bus zum israelischen Parlament, der Knesset. Doch entgegen der Informationen des Reiseführers kann ich keine Führung mitmachen. Tatsächlich ist es hier aber menschenleer - bis auf die überall präsenten Sicherheitskräfte. Ab diesem Nachmittag ist ein hoher Feiertag: das jüdische Neujahrsfest, Rosh Hashana, wird die nächsten beiden Tage begangen.
Ich warte die Öffnung des nahegelegenen Israel - Museums ab und besichtigen verschiedene Abteilungen dieses großartigen Museums. Weil Ferien sind, sind einige Familien unterwegs. Ein Vater erklärt seinem Sohn anhand des Modells des Tempelbergs, wie dieser aussah und am Sarg des Königs Herodes, wie dieser geherrscht hat. Eine Mutter läuft mit ihren Kindern durch die Ausstellung jüdischer Kultgegenstände, die die unterschiedlichen Ausprägungen des jüdischen Glaubens in allen Teilen der Welt zeigen. Es ist schön zu erleben, wie diese Teile der Arbeit kulturellen Identität von einer Generation zur anderen weitergegeben werden.
Plötzlich mahnt mich ein Wärter, das Museum zu verlassen. Es schließt wegen des Feiertags früher - ebenso wie alle jüdischen Geschäfte - weshalb ich leider die Schriftrollen aus Qumran nicht mehr sehen kann.
Ich fahre mit dem Bus in den wohlhabenden Süden Jerusalems, was mir beim Einkauf bewusst wird. Die Straßen sind voller Menschen, die für das Neujahrsfest einkaufen - schließlich beginnt das Jahr 5777!
Der Weg zur Altstadt ist heiß, mindestens 32 Grad. Am Alten Bahnhof, der die Stadt mit Tel Aviv verband und schon zu britischer Mandatszeit vor 1948 wegen vielerlei Anschläge der Hagana, der paramilitärischen zionistischen Untergrundbewegung vor der Unabhängigkeit Israels, wieder geschlossen wurde, trinke ich eisgekühlten Kaffee. Seitdem die Züge nicht mehr fahren, gibt es nur noch Straßenverbindungen nach Tel Aviv.
Auf dem Weg in die Altstadt begegne ich vielen orthodoxen Juden, die schnellen Schrittes zu einer der vielen Synagogen gehen, um das traditionsreiche Fest zu beginnen. Das jüdische Viertel brummt - alle sind festlich gekleidet, die Männer in unterschiedlichen Gewändern und je nach Ausprägung mit verschiedenen Kopfbedeckungen, die Frauen in Kleidern und oft mit Kopftüchern. Auf dem Platz vor der Hurva-Synagoge begrüßen sich die Familien freudig, Kinder tanzen und spielen...
Oberhalb der Klagemauer begegne ich einem jüdischen Altstadtbewohner zum zweiten Mal. Vor einigen Tagen hatte er mir nach Einbruch der Dunkelheit einen sicheren Weg von den Dächern oberhalb der Grabeskirche zum Jaffator gezeigt. Um zu meiner Unterkunft am Damaskustor zu kommen, muss ich immer das arabische Viertel durchqueren. Viele Polizisten säumen die Straßen, Händler wollen mir vieles verkaufen und an der Via Dolorosa kommt mir schließlich eine polnische Pilgergruppe mit vielen Frauen und einigen Männern entgegen, die mit einem großen Kreuz den Weg Jesu zur Kreuzigung in der heutigen Grabeskirche nacherleben wollen... Ein Priester liest an jeder Station einen Abschnitt der Leidensgeschichte und stimmt einen Gesang an oder spricht ein Gebet.
Die Gegensätze, die sich in der 1-2 Quadratkilometer großen Altstadt ballen, sind sehr gewöhnungsbedürftig...
Der Sarg Herodes des Großen (73-4 v. Chr.)
Eine Mutter erklärt ihren Kindern jüdische Kultgegenstände aus aller Welt
An der ehemaligen Bahntrasse Tel Aviv - Jerusalem
Eisgekühlter Kaffee mit Zuckersirup
Ein Mädchen - für Rosh Hashana festlich gekleidet - nahe dem Davidsgrab
Orthodoxe jüdische Männer - große Pelzhüte ("Schtreimel") tragend - auf dem Weg in die Synagoge, bei 30 Grad!
Auf dem Platz vor der Hurva-Synagoge

Samstag, 1. Oktober 2016

Neunter Tag Bethlehem

Am Nachmittag fahre ich mit einem arabischen Bus nach Bethlehem. Israelische Busse fahren wegen des Shabbat nicht. Gemeinsam mit vielen Bewohnern des Westjordanlandes passiere ich einen Checkpoint und fahre in diese Stadt etwa 40 Minuten von Jerusalem entfernt. Kaum angekommen, versuchen mehrere Taxifahrer mich in die Stadt zu bringen, diese sei 4-5 km entfernt. Die Orientierung ist ohne englische Schilder viel schwieriger als auf israelischem Gebiet. Aber nach 30 Minuten bin ich zu Fuß schon an der Geburtskirche. Ein Polizist wundert sich, dass dass ich allein unterwegs bin. Ich komme wieder zum gleichen Zeitpunkt wie eine polnische Pilgergruppe in die Kirche. Die Gläubigen sind nicht nur recht rabiat, möglichst schnell zum Ort der Geburt in einer Art Grotte zu kommen, sondern küssen dann auch den Stern, der die vorgebliche Stelle der Geburt markiert. So bleibt mir ein Blick darauf zunächst verwehrt. Der Rummel um die Orte des Lebens und Wirkens Jesu sind mir zuwider, da wird der persönliche Eindruck überlagert von dem durch kirchliche Symbolik aufgeladenen Raum und den Menschenmassen, die sich dort aufhalten. Wie ist es Menschen möglich, eine eigene religiöse Überzeugung in dieser Atmosphäre zu gewinnen? 
Perspektivwechsel: es gibt in Bethlehem die besten Falafel - und einen Starbucks!
Auf dem Marktplatz hat ein Händler einem Generator auf dem Dach seines Autos platziert und stellt im Kofferraum Zuckerwatte her - das kann nicht lecker sein!
Auf der Rückfahrt werden wir am Checkpoint überprüft: während israelische und andere Staatsbürger im Bus bleiben dürfen, müssen Bewohner des Westjordanlandes den Bus verlassen und dürfen ihn erst nach der Überprüfung ihrer Papiere wieder betreten.
Menschen in der Geburtskirche, unmittelbar am Altar, der den mutmaßlichen Ort der Geburt Jesu markieren soll
Auf dem Marktplatz von Bethlehem - so wird Zuckerwatte hergestellt und vermarktet!
Blick auf die Geburtskirche
"Starbucks" in Bethlehem - ein Plakat neben dem Eingang wirbt für den vierten Marathonlauf rund um Bethlehem

Neunter Tag Jerusalem

Am Morgen besuche ich die Klagemauer. Es ist Shabbat und viele Juden kommen dorthin, um zu beten, zu singen oder um das Widderhorn zu spielen. Eine jüdische französische Familie feiert Abendmahl. Die Stimmung ist andächtig. Hier beten strenggläubige und reformorientierte Juden am gleichen Ort.
Dann mache ich mich auf zum Ölberg, es geht durch das Zionstor zunächst in den Garten Gethsemane. Schon hier treffe ich auf Busladungen osteuropäischer Christen, die - egal ob römisch-katholisch oder russisch-orthodox - die Eindrücke des Tages bestimmen...
Ich passiere die russisch-orthodoxe Maria-Magdalenen-Kirche und die Dominus-Flevit-Kapelle, die die Stelle markiert, an der Jesus über die Stadt Jerusalem geweint haben soll.
Ich steige den Ölberg entlang dem jüdischen Friedhof hinauf - nach dem Propheten Sacharja wird Gott hier die Toten erlösen, wenn der Messias am Tag des Jüngsten Gerichts zurückkehrt. Daher haben sich bis heute etwa 150.000 Juden hier bestatten lassen.
Ein schmaler Zugang führt zu den Gräbern der Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi - die trotz Shabbat geöffnet sind. Der muslimische Wärter stellt mir persönlich die Grabanlage vor und führt mich einige Meter in vollkommene Dunkelheit. Das friedliche Zusammenleben der Religionen liege ihm am Herzen, daher seien die Gräber geöffnet, so der Wärter. Er benötigt sicher auch die Einnahmen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Bei der muslimischen Himmelfahrtskapelle treffe ich auf eine polnische Nonne, die am Ort der vermuteten Himmelfahrt Christi in der Moschee ein Lied für ihre Gruppe anstimmt - der Wärter kennt sie schon und scherzt, dass sie dafür 300 Schekel bezahlen müsste...
Ursprünglich war dies eine christliche Kapelle, wurde nach der Rückeroberung Jerusalems von den Kreuzfahrern durch Saladin 1198 in eine Moschee umgewandelt. Selbst wenn Jesus Christus nicht als Messias angesehen wird, gilt er Muslimen doch als einen wichtigen Propheten.
Die russisch-orthodoxe Himmelfahrtskapelle oben auf dem Ölberg fasziniert durch ihre klare bildhafte Darstellung des Ereignisses, obwohl mich eine Nonne barsch darauf hinweist, dass ich meine Kopfbedeckung abnehmen müsse. Auch sie soll die Stelle markieren, an der Jesus Christus in den Himmel aufgefahren ist. Als ich aus der Idylle des verschlossenen Kirchenbezirks heraustrete, komme ich in diesen wuseligen Stadtteil Ostjerusalems, der so gar nicht zu meinen Vorstellungen des Ölbergs als biblischem Ort passen will. Dieser widersprüchliche Eindruck verstärkt sich noch durch den Blick, den ich nach Osten habe: Mauern trennen Jerusalem vom Westjordanland.
Auf dem Weg zurück zur Unterkunft treffe ich auf Kinder, die mir auf Nachfrage ein von den Behörden gestörtes Haus zeigen. Diese Art der Bestrafung soll helfen, den Terror von palästinensischer Seite einzudämmen...
Die muslimische Himmelfahrtskapelle auf dem Ölberg - rechts der unvemeidbare Verkaufsstand mit Devotionalien
Ein Fußabdruck Jesu Christi in der muslimischen Himmelfahrtskapelle...
Blick in die Kuppel der russisch-orthodoxen Himmelfahrtskapelle
Russisch-orthodoxe Himmelfahrtskapelle
Blick vom Ölberg nach Osten
Fotografieren gegen Bezahlung, so der Wunsch dieser Jungs
Zerstörtes Haus an der Straße vom Ölberg zur Altstadt
Blick vom Ölberg auf die Altstadt: im Vordergrund ist der größte jüdische Friedhof der Stadt zu sehen

Freitag, 30. September 2016

Achter Tag Tel Aviv - und wieder Jerusalem

Am Morgen besuchen wir als letzte Station der Fortbildung die Altstadt von Tel Aviv - Jaffo.
Die engen Gassen der mittelalterlichen Altstadt beherbergen Ateliers von jüdischen Künstlern verschiedener Herkunft: russische, französische und jemenitische Ateliers sind hier beheimatet. 
Der "Hängende Orangenbaum" des Künstlers Ran Morin, mit dem er der "Jaffa-Orange", bis heute das weltweit bekannteste Produkt Israels, das im letzten Jahrhundert von hier aus in alle Welt exportiert wurde, fasziniert mich, weil es Israel als neue Heimat für entwurzelte Existenzen darstellt, die hier eine neue, leichtere Existenz aufbauen können sollten.
Die Stadt selbst wurde erst 1909 gegründet. Die Stadtgründung galt vielen als utopisch: im April 1909 fanden sich 66 jüdische Familien auf einer Sanddüne zusammen und warfen 120 Muscheln als Lose, um das Land aufzuteilen. Diese Zusammenkunft wird als offizielles Gründungsdatum Tel Avivs betrachtet. Der Bau der Stadt sollte im Sinne des ersten Bürgermeisters Meir Dizengoff ein Symbol für das mögliche friedliche Zusammenleben von Juden und Arabern sein. Daher auch der Name: Hügel des Frühlings - Tel Aviv. Auf einem Foto von 1915-16 entdecke ich später den Straßenzug wieder. Der Ausbau von Tel Aviv ist ein Musterbeispiel für Urbanisierung und Städtebau vor und nach der Gründung Israels. Es ist nach den Einwanderungswellen des letzten Jahrhunderts kaum verwunderlich, dass der Großraum Tel Aviv heute über 2 Millionen Einwohner zählt. Übrigens wandern derzeit insbesondere französische Juden ein - gerade infolge der Zunahme an Anfeindungen nach den Anschlägen der letzten beiden Jahre.
Wir kommen zum Gebäude, die in dem am 14. Mai 1948 der Staat Israel ausgerufen wurde - auf den Einladungskarten wurde aus vielerlei Gründen um Geheimhaltung gebeten. Dennoch kamen Menschenmassen zur Proklamationszeremonie. Beim Rundgang durch den alten Hafen fällt mein Blick auf eine Leinwand mit Livebildern von der Trauerfeier für Simon Peres. In der internationalen Presse der Woche wird ihm als des letzten politisch einflussreichen Visionärs der israelisch-palästinensischen Ausgleichs gedacht. Vielleicht vereint die Trauerfeier aus diesem Grund zum ersten Mal so viele Staatschefs in Israel wie seit dem Tod Jitzchak Rabins.
Heute Morgen habe ich nun auch eine Unterkunft für die nächsten Tage in Jerusalem gefunden und unser Guide nimmt mich mit...
Der Weg führt uns vorbei an Mauern und Zäunen, die die Autobahn vor Steinwürfen schützen sollen. Die direkte Strecke ist gesperrt, da die Trauerfeier das öffentliche Leben beeinträchtigt: für die angereisten Staatschefs wird auch der Flughafen gesperrt - und damit das öffentliche Leben zum Teil zum Erliegen gebracht.
Am Abend habe ich die Möglichkeit, von der Dachterrasse des französischen Hospiz die ganze Altstadt zu überblicken. Welch eine wunderbare und widersprüchliche Stadt! Diesen Tipp haben mir zwei ältere Reisende gegeben, die ich in meiner Unterkunft kennengelernt habe. Sie reisen für etwa zwei Monate durch das östliche Mittelmeer und wollen bald weiter ans Rote Meer. 
Blick auf Tel Aviv von Jaffo aus
Haus in Jaffo
Ein judischer Künstler russischer Herkunft vor seinem Atelier in Jaffo
Aus Dünen wird eine Metropole - Uriel Kashi stellt die Gründung Tel Avivs am historischen Ort vor
Szene in Jaffo
Zwischen Tel Aviv und Jerusalem - zwischen Urlaub mit dem Fahrrad und Sperrmauern...
Jerusalem am Abend
Titelseite der Tageszeitung Ha'aretz vom 29. September 2016

Donnerstag, 29. September 2016

Siebter Tag Akko und Tel Aviv

Am frühen Morgen fahren wir nach Akko. Die Fahrt dauert 3 Stunden und von Jerusalem bei 20 Grad geht es bis auf 32 Grad bei Akko. Im "Ghetto Fighters House" werden wir empfangen und lernen einen Kibbuz kennen, aus dem sich ein florierendes landwirtschaftliches Unternehmen entwickelt hat und dessen Gründer schon Ende der 50er Jahre ein Museum eingerichtet haben zur Erinnerung an den Grund ihrer Übersiedlung nach Israel. Der Kibbuz ist auf den Ruinen eines ehemaligen arabischen Dorfes errichtet worden, das kurz vor der Gründung zerstört worden war.
Der Besuch bringt mich auf neue Ideen, denn die Schulen in Ma'alot-Tarshiha, die ich im März gesehen habe, sind nur 30 km entfernt. Warum nicht gemeinsam ein Projekt in diesem Museum machen? Wir kommen erst nach Einbruch der Dunkelheit in Tel-Aviv an. Der Stadtteil des Hotels macht auf mich einen wenig einladenden Eindruck. Ich muss bis zum nächsten Morgen warten, um den Ausblick aus meinem Hotelzimmer zu genießen!
Das Abendessen mit einigen Mitreisenden in einem israelischen Lokal mit Falafel ist wunderbar und wir genießen den mediterranen Abend. Die Stadt ist voller Menschen, sie ist voller Leben, selbst am späten Abend sind viele Menschen am Strand und an der Uferpromenade.
Die ersten Siedler des Kibbuz Lohamei HaGetaot lebten in Zelten - und auf den Überresten eines zersörten arabischen Dorfes
Das Museum "Ghetto Fighters House" auf dem Gelände des Kibbuz Lohamei HaGetaot heute
Am Strand von Tel Aviv
Straßenszene hinter dem Strandboulevard
Tel Aviv ist eine Boomtown - Blick aus dem Hotelzimmer

Mittwoch, 28. September 2016

Sechster Tag Yad Vashem

Der vierte Tag in Yad Vashem steht bevor. Besonders der Ort Yad Vashem bleibt mir im Kopf: im sogenannten Tal der Gemeinden sind alle ehemaligen jüdischen Gemeinden in Europa in Stein gemeißelt, die als Felslandschaft gestaltet sind.
Für jeden  "Gerechten unter den Völkern", also für diejenigen, die Juden geholfen haben oder sie versteckt haben, ist ein Olivenbaum auf dem Areal gepflanzt worden. Als "Gerechter unter den Völkern" gelten Menschen, die unter Lebensgefahr jüdischen Mitmenschen vor der Deportation geholfen haben, obwohl sie selbst keine Juden waren. Es gibt nur sehr wenige Deutsche unter den Gerechten unter den Völkern, was angesichts unserer Geschichte nicht verwunderlich ist und die Tat des Einzelnen erst recht ehrt!
Am Nachmittag nimmt Tswi Herschel an der Fortbildung teil und erzählt uns von seinen Erfahrungen als verstecktes Kind, das bei Pflegeeltern aufwächst. Die psychischen Leiden dieser Opfergruppe sind immer noch kaum im Fokus des Gedenkens. Gerade dies ist aber dringend geboten.
Am Abend gehe ich zum Mahane-Yehuda-Wochenmarkt, der mich an einen arabischen Markt erinnert. Menschen aller Hautfarben machen hier Ihren Wocheneinkauf, besonders vor dem Shabbat. Von da aus gehe ich wieder in Richtung Altstadt. Die Gegensätze springen ins Auge: hier der orientalische Markt, da die europäisch wirkende Fußgängerzone, und schließlich die jahrtausendealte Altstadt.
Das "Tal der Gemeinden"
Felswand mit Namen der Orte jüdischen Lebens in Deutschland
Pfad mit Olivenbäumen zu Ehren der "Gerechten unter den Völkern" - hier links eine Gedenkplakette für eine der wenigen Deutschen, die als solche anerkannt wurden
Tswi Herschel, der als Kleinkind vor den Nazis versteckt wurde und als Erwachsener um Anerkennung als Holocaustopfer kämpft

Auf dem Markt in Mahane-Yehuda