Freitag, 30. September 2016

Achter Tag Tel Aviv - und wieder Jerusalem

Am Morgen besuchen wir als letzte Station der Fortbildung die Altstadt von Tel Aviv - Jaffo.
Die engen Gassen der mittelalterlichen Altstadt beherbergen Ateliers von jüdischen Künstlern verschiedener Herkunft: russische, französische und jemenitische Ateliers sind hier beheimatet. 
Der "Hängende Orangenbaum" des Künstlers Ran Morin, mit dem er der "Jaffa-Orange", bis heute das weltweit bekannteste Produkt Israels, das im letzten Jahrhundert von hier aus in alle Welt exportiert wurde, fasziniert mich, weil es Israel als neue Heimat für entwurzelte Existenzen darstellt, die hier eine neue, leichtere Existenz aufbauen können sollten.
Die Stadt selbst wurde erst 1909 gegründet. Die Stadtgründung galt vielen als utopisch: im April 1909 fanden sich 66 jüdische Familien auf einer Sanddüne zusammen und warfen 120 Muscheln als Lose, um das Land aufzuteilen. Diese Zusammenkunft wird als offizielles Gründungsdatum Tel Avivs betrachtet. Der Bau der Stadt sollte im Sinne des ersten Bürgermeisters Meir Dizengoff ein Symbol für das mögliche friedliche Zusammenleben von Juden und Arabern sein. Daher auch der Name: Hügel des Frühlings - Tel Aviv. Auf einem Foto von 1915-16 entdecke ich später den Straßenzug wieder. Der Ausbau von Tel Aviv ist ein Musterbeispiel für Urbanisierung und Städtebau vor und nach der Gründung Israels. Es ist nach den Einwanderungswellen des letzten Jahrhunderts kaum verwunderlich, dass der Großraum Tel Aviv heute über 2 Millionen Einwohner zählt. Übrigens wandern derzeit insbesondere französische Juden ein - gerade infolge der Zunahme an Anfeindungen nach den Anschlägen der letzten beiden Jahre.
Wir kommen zum Gebäude, die in dem am 14. Mai 1948 der Staat Israel ausgerufen wurde - auf den Einladungskarten wurde aus vielerlei Gründen um Geheimhaltung gebeten. Dennoch kamen Menschenmassen zur Proklamationszeremonie. Beim Rundgang durch den alten Hafen fällt mein Blick auf eine Leinwand mit Livebildern von der Trauerfeier für Simon Peres. In der internationalen Presse der Woche wird ihm als des letzten politisch einflussreichen Visionärs der israelisch-palästinensischen Ausgleichs gedacht. Vielleicht vereint die Trauerfeier aus diesem Grund zum ersten Mal so viele Staatschefs in Israel wie seit dem Tod Jitzchak Rabins.
Heute Morgen habe ich nun auch eine Unterkunft für die nächsten Tage in Jerusalem gefunden und unser Guide nimmt mich mit...
Der Weg führt uns vorbei an Mauern und Zäunen, die die Autobahn vor Steinwürfen schützen sollen. Die direkte Strecke ist gesperrt, da die Trauerfeier das öffentliche Leben beeinträchtigt: für die angereisten Staatschefs wird auch der Flughafen gesperrt - und damit das öffentliche Leben zum Teil zum Erliegen gebracht.
Am Abend habe ich die Möglichkeit, von der Dachterrasse des französischen Hospiz die ganze Altstadt zu überblicken. Welch eine wunderbare und widersprüchliche Stadt! Diesen Tipp haben mir zwei ältere Reisende gegeben, die ich in meiner Unterkunft kennengelernt habe. Sie reisen für etwa zwei Monate durch das östliche Mittelmeer und wollen bald weiter ans Rote Meer. 
Blick auf Tel Aviv von Jaffo aus
Haus in Jaffo
Ein judischer Künstler russischer Herkunft vor seinem Atelier in Jaffo
Aus Dünen wird eine Metropole - Uriel Kashi stellt die Gründung Tel Avivs am historischen Ort vor
Szene in Jaffo
Zwischen Tel Aviv und Jerusalem - zwischen Urlaub mit dem Fahrrad und Sperrmauern...
Jerusalem am Abend
Titelseite der Tageszeitung Ha'aretz vom 29. September 2016

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